Geschichte der Waldgartenbewegung
Eine uralte Anbauform wächst in die Neuzeit hinein
Im Grunde gibt es Waldgärten schon seit dem Beginn der Siedlungsgeschichte von Menschen, nur hat man sie nicht so genannt. In ursprünglichen Wäldern wurden kleine Lichtungen geschaffen und darin essbare Kulturpflanzen angepflanzt. Die Waldrandgebiete boten Schutz und reichlich Humus. Diese Art des Anbaus findet sich auch heute noch in großen Wäldern, zumeist in tropischen Gebieten. Da wachsen dann Maniok neben Kochbananen, dazwischen Maispflanzen und Bohnen, zwischen den Waldbäumen Kakaopflanzen. Der Boden wird geschont, Nützlinge und Schädlinge für die essbaren Gewächse halten sich im Gleichgewicht. Der Mensch stammt aus dem Wald, dort hat alles begonnen, er liegt uns sozusagen im Blut.
Aber kann man dieses Konzept auch in die Wälder der gemäßigten Klimazonen übertragen? Ein Pionier auf diesem Gebiet war ohne Frage der Brite Robert Adrian de Jauralde Hart (1.4.1913 – 7.3.2000). Er durchlebte den zweiten Weltkrieg und ließ sich danach auf einem Kleinbauernhof nieder. Dort wollte er ein gesundes und therapeutisches Umfeld für sich und seinen kranken Bruder schaffen und die Maxime von Hippokrates „Lebensmittel zu Medizin und Medizin zu Lebensmittel“ umzusetzen. Er beobachtete seine Umwelt, die Pflanzen, die wuchsen und die Arbeit, die er aufwenden musste, um seinen Lebensunterhalt anzubauen. Er untersuchte auch die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen in natürlichen Systemen, also dem Wald. Diese Beziehungen, die er fand, führten ihn dazu, das Agroforstsystem des Waldgartens für die gemäßigten, kühleren Regionen weiter zu entwickeln. Ähnlich wie die verschiedenen Wachstumszonen im Wald baute er seinen Obstgarten auf und unterschied darin 7 Zonen:
- eine Baldachin- Schicht aus den ursprünglichen, hohen und reifen Obstbäumen
- eine niedrigere Baumschicht aus kleineren Nussbäumen und Obstbäumen auf verkleinerten Veredelungen
- eine Strauchschicht aus Beerensträuchern wie Johannisbeeren, Himbeeren und Stachelbeeren
- eine krautige Schicht aus mehrjährigen Gemüsen und Kräutern
- eine bodendeckende Schicht essbarer Pflanzen, die sich horizontal ausbreiten, wie z.B. Erdbeeren
- eine vertikale Schicht aus nach oben wuchernden Rankpflanzen wie z.B. Weinreben
Robert Hart hatte eine Vision: „Offensichtlich sind nur wenige von uns in der Lage, Wälder wieder herzustellen….Aber zig Millionen von uns haben Gärten oder Zugang zu Freiflächen wie Industriebrachen, in denen Bäume gepflanzt werden können. …Und wenn die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, voll ausgeschöpft werden, sind auch in stark bebauten Gebieten neue „Stadtwälder“ möglich.“
Robert Harts Ideen sind unmittelbar nachvollziehbar und wichtig angesichts hoher Bevölkerungszahlen auf der Erde, zunehmender Zubetonierung der Landschaften und klimatischer Probleme. Deshalb werden sie auch in vielen Ländern der Welt begeistert aufgegriffen und weiter entwickelt.
Robert Harts Arbeit fußt auf Vordenkern wie z.B. Masanobu Fukuoka. Fukuoka lebte von 1913 bis 2008 und war der Erfinder der Samenbomben. Das sind aus Ton oder Erde geformte kleine Kugeln, die Samen örtlicher Pflanzen enthalten. Heute sind in den käuflichen Samenbomben meist Samen einjähriger Pflanzen und in Deutschland traditionelle Gartenblumen wie Kornblumen, Sonnenhut, Tagetes, Malven, Zinnien, und andere enthalten. Man kann sie selbst machen aus lehmiger Erde oder Tonerde mit Blumenerde vermischt mit Samen, etwas Wasser dazu, kleine Bällchen formen und an der Sonne oder im Backofen trocknen. Fallen sie auf feuchten Boden, gehen sie auseinander und die Samen können keimen. Im besten Fall entstehen kleine Blumeninseln. Masanobu Fukuokas Ziel war es aber, Wüsten wieder fruchtbar zu machen. Er war Mikrobiologe und Agrarwissenschaftler, lebte in Japan und erbte eine Zitrusplantage auf der Insel Shikoku im Süden Japans, die er bewirtschaftete. Seine Erfahrungen und langjährigen Beobachtungen dabei führten ihn zur Kritik an der modernen Agrarwissenschaft und zur Entwicklung einer „natürlichen Landwirtschaft“. Er begann, den Unterschied zwischen Natur und Nichteinmischung zu definieren und schrieb darüber mehrere Bücher. Er bereiste nach dem zweiten Weltkrieg die Welt und startete allenthalben erfolgreiche Projekte vor allem zur Wiederbelebung von Wüstengebieten in verschiedenen Bereichen der Welt. Für die ökologische Landwirtschaft und die Waldgartenbewegung war er ein Wegbereiter.