Allmende neu gedacht
Unsere Welt ist so viel komplexer und komplizierter geworden seit den Zeiten der ehemaligen Allmende, dem frühen Mittelalter. Sehr viel mehr Menschen bewohnen alle Teile der Erde, Boden, Wasser, Luft, ja sogar der Weltraum sind umfassend in Besitz genommen worden. Das Wissen jedes Einzelnen und der Gesellschaft hat sich exponentiell vergrößert, ebenso die Möglichkeiten, dieses Wissen zu benutzen. Wissenschaftliche und technische Fähigkeiten, Kenntnisse und Produktionen sind unfassbar ausgeweitet worden und damit dem Verstand und dem Begreifen einer einzelnen Person entzogen. Die Gesellschaft ist in viele unterschiedliche Bereiche zerfleddert, die alle großes Expertentum besitzen, aber oft wenig miteinander zu tun haben. Alles ist weltweit der kapitalistischen Produktionsweise und der Profitorientierung unterworfen. Als Kriterium für Erfolg gilt weltweit das „mehr“. Gleichzeitig breitet sich aber auch ein Unbehagen aus, das aus dem Wissen über die Begrenztheit der Welt entsteht.
Daraus bildeten sich in den letzten Jahren mehr und mehr Initiativen, deren Kriterium gemeinsames Nutzen wurde. Manche machen damit Gewinn, andere sind gemeinnützig. Allen gemeinsam ist, dass etwas gemeinschaftlich nutzbar gemacht werden soll. Beispiele dafür sind: Carsharing, Wikipedia, Toolpools, urban gardening, die Bewegung der Solidarischen Landwirtschaft, genossenschaftliche Wohnprojekte, und viele Andere. Selbst die Banken können sich dem Allmende-Gedanken nicht mehr entziehen. Alle sind Beispiele für eine neue Art von Allmende.
Es kann aber auch schiefgehen.
Elinor Ostrom, 1933- 2012, Professorin für Politik, erhielt 2009 als erste und einzige Frau den Nobel-Preis für Wirtschaftswissenschaften. Sie hat gezeigt, wie gemeinschaftliches Eigentum von Nutzungsorganisationen bei knappen Ressourcen erfolgreich verwaltet werden kann. Folgende Bauprinzipien für langlebige Allmende-Institutionen hat sie vorgeschlagen:
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- Es muss klar definierte Grenzen des Gemeinguts geben und nicht Nutzungsberechtigte müssen wirksam ausgeschlossen werden.
- Die Regeln des Zugriffs auf das Gemeingut sind lokalen Bedingungen anzupassen.
- Die Nutzer müssen auf die Gestaltung der Verhaltensregeln einwirken können, so dass sich diese an ändernde Bedingungen anpassen;
- Die Einhaltung der Regeln muss überwacht werden.
- Es sind abgestufte Sanktionen erforderlich, wenn die Regeln verletzt werden.
- Es braucht Mechanismen, um Konflikte zwischen Nutzern zu lösen.
- Übergeordnete Stellen müssen das Recht auf Selbstbestimmung der Nutzer des Gemeinguts anerkennen. Diese Bauprinzipien sollen einen Anreiz für die „Aneigner“ bilden, sich selbst zur Einhaltung der Regeln zu verpflichten.
Der Gedanke der „Neuen Allmende“ entwickelt sich täglich weiter und wir sind gespannt, welche Gemeinschaften sich welche Bereiche zur gemeinschaftlichen Nutzung wieder zurück erobern und wo immer möglich der kommerziellen Nutzung entziehen. (RS/HF)